Viele Patientinnen und Patienten mit Myelofibrose (MF) zeigen in der Anfangsphase der Erkrankung keine oder kaum Symptome. Der Verdacht kommt dann häufig erst auf, wenn die Myelofibrose weiter fortgeschritten ist und Beschwerden wie Fatigue, Fieber oder Oberbauchschmerzen infolge einer vergrößerten Milz auftreten. In manchen Fällen liefern auffällige Blutwerte im Rahmen einer Routineuntersuchung bereits frühzeitig erste Hinweise auf eine mögliche Myelofibrose.1,2
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Erste Untersuchungen bei Verdacht auf Myelofibrose
Vermutet die Ärztin oder der Arzt eine Myelofibrose, beispielsweise aufgrund von Auffälligkeiten im Blutbild oder aber aufgrund von Beschwerden, erfolgt eine Reihe von diagnostischen Untersuchungen, um diesem Verdacht auf den Grund zu gehen.
Zunächst findet die sogenannte Anamnese statt. Das ist ein ausführliches Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt, bei dem sämtliche Beschwerden der jüngeren Vergangenheit zur Sprache kommen sollten. Darunter fallen zum Beispiel Oberbauchschmerzen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Knochenschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust oder Blutungen.1 Sollten bislang keine Symptome aufgetreten sein, schließt das eine bestehende Myelofibrose allerdings nicht zwingend aus: Etwa ein Drittel der Betroffenen ist zum Zeitpunkt der Diagnose beschwerdefrei.3 Die Ärztin oder der Arzt wird sich deshalb auch nach bekannten Fällen von Bluterkrankungen in der Familie erkundigen.1
Im Rahmen einer ersten körperlichen Untersuchung gilt ein besonderes Interesse der möglichen Vergrößerung von Milz und Leber. Mittels Abtasten und gegebenenfalls einer Ultraschalluntersuchung im Bauchbereich lässt sich die Größe der Leber und der Milz überprüfen. Insbesondere die Vergrößerung der Milz tritt häufig als Symptom der Myelofibrose auf.1
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Blutuntersuchungen zur weiteren Abklärung einer Myelofibrose
Neben der ausführlichen Anamnese und der Untersuchung von Milz- und Lebergröße wird der Patientin oder dem Patienten Blut abgenommen, das anschließend im Labor untersucht wird. Auf diese Weise lassen sich Veränderungen im Blutbild erkennen, die auf eine Erkrankung wie die Myelofibrose hindeuten können.
Grundsätzlich enthält das Blut drei Typen von Blutzellen: die Blutplättchen, die roten Blutkörperchen und die weißen Blutkörperchen. Eine von der Norm abweichende Anzahl von einem oder mehreren der drei Blutzelltypen kann auf eine Myelofibrose hinweisen, allerdings auch eine Vielzahl anderer Ursachen haben. Zusätzlich werden weitere Blutwerte bestimmt, beispielsweise der LDH- und der Ferritin-Wert. Auch hier kann eine Abweichung von der Norm Anzeichen für eine Myelofibrose sein.1
Ist die Myelofibrose schon fortgeschritten, finden sich zudem vermehrt unreife Blutzellen im Blut – sogenannte Blasten. Diese sind normalerweise ausschließlich im Knochenmark angesiedelt, dem Ort der Blutneubildung. Sind Blasten im Blut nachweisbar, deutet das auf eine bösartige Bluterkrankung wie die Myelofibrose hin.1,2 Auch eine äußerliche Veränderung der roten Blutkörperchen – erkennbar unter dem Mikroskop – tritt möglicherweise im Rahmen einer bestehenden Myelofibrose auf. Betroffene rote Blutkörperchen sind dann auffällig verformt.2
Abschließend erfolgte eine sogenannte molekulargenetische Untersuchung der Blutzellen. Dabei überprüfen Fachleute die Zellen auf die charakteristischen Genveränderungen (Mutationen), die bei der Myelofibrose auftreten: im JAK2-, Calreticulin- oder MPL-Gen. Lässt sich keine dieser drei Genveränderungen nachweisen, werden weitere, seltene Mutationen in Betracht gezogen.2,4
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Gesicherter Nachweis der Myelofibrose durch Knochenmarkuntersuchung
Die Untersuchung des Knochenmarks ist neben der molekulargenetischen Blutuntersuchung die wichtigste Methode, um die Diagnose Myelofibrose mit Sicherheit zu bestätigen.2 Das Knochenmark füllt das Innere aller größeren Knochen aus und besteht überwiegend aus Blutstammzellen, die für die Neubildung von Blutzellen verantwortlich sind.
Um das Knochenmark auf eine bestehende Myelofibrose zu untersuchen, entnimmt die Ärztin oder der Arzt mithilfe einer Hohlnadel und unter örtlicher Betäubung etwas Knochenmark – für gewöhnlich aus dem Beckenknochen. Im Normalfall werden zwei Proben entnommen: ein flüssiges sogenanntes Knochenmarkaspirat, das durch Ansaugen gewonnen wird, und eine Knochenmarkbiopsie, bei der ein kleines Stück Knochenmark ausgestanzt wird.1 Ist die Verfaserung (Fibrose) des Knochenmarks bei bestehender Myelofibrose schon fortgeschritten, kann das die Gewinnung eines flüssigen Knochenmarkaspirats erschweren oder unmöglich machen. Fachleute sprechen in einem solchen Fall von einer Punctio sicca – was übersetzt so viel bedeutet wie trockene Punktion.2
Das entnommene Knochenmark wird anschließend im Labor mithilfe verschiedener Analyseverfahren untersucht, um eine Myelofibrose nachzuweisen. Zelluläre Veränderungen sowie der Fortschritt einer möglicherweise vorliegenden Fibrose lassen sich unter dem Mikroskop feststellen.2
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Myelofibrose: Abgrenzung zu anderen Blutkrankheiten entscheidend
Die Myelofibrose zeichnet sich durch eine fortschreitende Verfaserung des Knochenmarks aus, wodurch die dortige Blutneubildung zunehmend gestört wird. Diese Verfaserung ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Myelofibrose: Auch andere Bluterkrankungen zeigen mitunter eine Knochenmarkfibrose. Um die Diagnose zweifelsfrei zu bestätigen, müssen andere Erkrankungen als Ursache für die Fibrose ausgeschlossen werden.5
Myelofibrose: Kriterien für eine gesicherte Diagnose
Die gesicherte Diagnose Myelofibrose ergibt sich durch die gesamtheitliche Betrachtung der Befunde aus den verschiedenen Untersuchungen.4 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat offiziell anerkannte Kriterien definiert, anhand derer die Diagnose Myelofibrose erfolgt.
Grundlegend werden bei diesem diagnostischen Schema zwei Stadien der Myelofibrose unterschieden:
- Die präfibrotische Myelofibrose, bei der zwar die üblichen Charakteristika einer Myelofibrose nachweisbar sind, aber noch keine fortgeschrittene Verfaserung des Knochenmarks.
- Die fibrotische Myelofibrose, bei der neben den üblichen diagnostischen Hinweisen auf eine Myelofibrose auch eine fortgeschrittene Verfaserung des Knochenmarks festgestellt werden kann.
Laut der Definition der WHO müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, damit die Diagnose Myelofibrose als gesichert gilt. Dabei werden Haupt- und Nebenkriterien unterschieden. Damit Fachleute eine Myelofibrose als bestätigt ansehen, müssen alle drei Hauptkriterien und mindestens ein Nebenkriterium erfüllt sein.1
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Diagnose Myelofibrose: Hauptkriterien gemäß WHO
- Charakteristischer Knochenmarkbefund (unter anderem verminderte Bildung reifer roter Blutkörperchen, übermäßige Vermehrung der Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen und der Blutplättchen), bei fibrotischer Myelofibrose: fortgeschrittene Verfaserung des Knochenmarks1
- Ausschluss anderer Bluterkrankungen (zum Beispiel Polycythaemia vera, essentielle Thrombozythämie, chronische myeloische Leukämie, myelodysplastische Neoplasien).1 Insbesondere die präfibrotische Myelofibrose ähnelt der essentiellen Thrombozythämie. Eine Unterscheidung der beiden Erkrankungen ist jedoch bedeutend für eine optimale Behandlung.6
- Nachweis einer für Myelofibrose typischen genetischen Veränderung: Mutation in einem der Gene JAK2, Calreticulin (CALR) oder MPL. Falls keine der drei Mutationen nachweisbar ist (triple-negativ), Beleg einer anderen relevanten genetischen Veränderung.1,7
Diagnose Myelofibrose: Nebenkriterien gemäß WHO
- Blutarmut (Anämie): Verminderung der Hämoglobin-Konzentration im Blut oder des Anteils roter Blutkörperchen. Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff. Er ist in den roten Blutkörperchen enthalten und essenziell für den Transport von Sauerstoff im Körper.
- Tastbar vergrößerte Milz (Splenomegalie)
- Erhöhte Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose)
- Erhöhter LDH-Wert im Blut: LDH steht für Laktatdehydrogenase. Dabei handelt es sich um ein Eiweiß, dessen Konzentration im Blut infolge bestimmter Erkrankungen zunimmt.
- Blasten im Blut (nur bei fibrotischer Myelofibrose): Sogenannte Blasten, Vorläuferzellen von roten und weißen Blutkörperchen, sind im Blut nachweisbar. Sie kommen normalerweise ausschließlich im Knochenmark vor.1,7
Nur wenn alle drei Hauptkriterien und mindestens ein Nebenkriterium erfüllt sind, kann von einer gesicherten Myelofibrose ausgegangen werden. Eine sorgfältige Diagnostik der Myelofibrose und die Abgrenzung zu anderen Bluterkrankungen ist die Basis, um eine individuell optimale Therapie einleiten zu können.4
Primäre vs. sekundäre Myelofibrose: Unterschiede in der Diagnostik?
Während eine primäre Myelofibrose neu, also nicht in Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung entsteht, beschreibt die sekundäre Myelofibrose eine Verfaserung des Knochenmarks als Folge einer vorausgegangenen Bluterkrankung. Das kann eine essentielle Thrombozythämie (ET) oder eine Polycythaemia vera (PV) sein. Bei der Analyse des Knochenmarks ist eine primäre Myelofibrose nicht von der sekundären Myelofibrose zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied in der Diagnostik liegt in der vorausgegangenen Diagnose einer ET oder PV.1
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Therapie
Was bei der Behandlung der Myelofibrose wichtig ist: Risiken erkennen, Symptome kontrollieren und gezielt handeln. Die Therapie richtet sich nach dem individuellen Risiko.
Quellen:
- Grießhammer M, Baerlocher GM, Döhner K, et al. Primäre Myelofibrose (PMF). Onkopedia-Leitlinie. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/primaere-myelofibrose-pmf/@@guideline/html/index.html (letzter Aufruf am 21.08.2024)
- mpn-netzwerk e. V. Primäre Myelofibrose (PMF) verstehen. https://www.mpn-netzwerk.de/mpn-verstehen/primaere-myelofibrose/ (letzter Aufruf am 21.08.2024)
- Takenaka K, Shimoda K, Akashi K. Korean J Intern Med. 2018;33(4):679-690.
- Heidel FH, Crodel CC, Kreipe HH. Die Onkologie. 2022;4:315-322.
- Garmezy B, Schaefer JK, Mercer J, et al. Blood Rev. 2021;45:100691.
- Iurlo A, Cattaneo D, Bucelli C. Curr. Treat. Options in Oncol. 2020;21:46.
- Tefferi A. Annual Clinical Updates in Hematological Malignancies. 2020;96(1):145-162.