Die Myelofibrose (MF) ist eine seltene Form von Blutkrebs, die die Blutstammzellen betrifft. Die Blutstammzellen befinden sich im Knochenmark – dem Binde- und Stammzellgewebe im Inneren größerer Knochen – und bilden kontinuierlich neue Blutzellen. Dieser Prozess der Blutneubildung im Knochenmark ist im Normalfall streng reguliert. So kann der Körper die Produktion von Blutzellen an seinen Bedarf anpassen.1
Bei der MF gerät die Blutneubildung aus dem Gleichgewicht: Während anfänglich zu viele Blutzellen produziert werden, erfolgt gleichzeitig eine zunehmende Verfaserung (Fibrose) des Knochenmarks. Dabei werden die blutbildenden Stammzellen immer mehr durch Bindegewebe verdrängt, das Knochenmark „vernarbt“. Diese Verfaserung des Knochenmarks hat zur Folge, dass die Blutbildung im Verlauf der Erkrankung eingeschränkt wird, immer weniger Blutzellen werden im Knochenmark produziert.2
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Der charakteristischen, fortschreitenden Verfaserung des Knochenmarks verdankt die Myelofibrose ihren Namen. „Myelo“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „das Knochenmark betreffend“, „Fibrose“ ist der medizinische Fachbegriff für die krankhafte Vermehrung von Bindegewebe (Verfaserung).
Welche Auslöser für die MF sind bekannt?
Fachleute unterscheiden zwei grundlegende Formen der MF. Die primäre Myelofibrose entsteht neu und nicht in Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung. Die sekundäre Myelofibrose hingegen beschreibt eine Verfaserung des Knochenmarks als Folge einer vorausgehenden Bluterkrankung. Das kann eine essentielle Thrombozythämie (ET) oder eine Polycythaemia vera (PV) sein.3
Die genauen Ursachen für die Entwicklung und das Fortschreiten einer Myelofibrose sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Bekannt ist, dass die gestörte Blutbildung auf bestimmte genetische Veränderungen (Mutationen) in den Blutstammzellen zurückgeht. Die Veränderungen im Erbgut haben Funktionsstörungen bei den betroffenen Zellen zur Folge. Sie teilen sich vermehrt und unkontrolliert und können ihre Aufgaben nicht oder nur noch eingeschränkt erfüllen.
Da Patientinnen und Patienten die Mutationen der Blutstammzellen erst im Laufe ihres Lebens erwerben, ist die Erkrankung nach jetzigem Forschungsstand nicht erblich. Sie wird damit nicht an Nachkommen weitergegeben.2
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Genveränderungen als Ursache der Myelofibrose
Gene bezeichnen bestimmte Abschnitte im Erbgut, das jede Körperzelle in sich trägt – die sogenannte DNA. Die Gene enthalten den Bauplan für Eiweiße (Proteine), die ein wesentlicher Bestandteil von Zellen sind und eine bedeutende Rolle in jedem physiologischen Prozess einnehmen.
Die Veränderung (Mutation) eines Gens kann dazu führen, dass der Bauplan für ein Protein verändert wird und es nicht mehr richtig ausgebildet werden kann. Dadurch können – je nach Protein und Zelle, in der die Mutation auftritt – physiologische Prozesse aus dem Gleichgewicht geraten.
Einige Mutationen konnten als Ursache für die Entstehung der Myelofibrose in den betroffenen Blutstammzellen ausgemacht werden. Fachleute sprechen von sogenannten Treibermutationen – also Mutationen, die dazu führen, dass aus gesunden Zellen Krebszellen werden, die sich krankhaft vermehren.2
- Am häufigsten – bei etwa 60 Prozent aller Betroffenen der MF – lässt sich eine bestimmte Mutation im JAK2-Gen feststellen. Dieser Abschnitt der DNA enthält den Bauplan für ein gleichnamiges Protein. Das JAK2-Protein ist in verschiedene zelluläre Prozesse involviert.4,5
- Etwa 15 bis 20 Prozent der Patientinnen und Patienten mit MF zeigen eine Veränderung im CALR-Gen. CALR ist die Kurzform von Calreticulin. Das Calreticulin-Gen enthält ebenfalls Informationen für ein gleichnamiges Protein.2
- Bei einer dritten, kleineren Gruppe von Patientinnen und Patienten (etwa acht Prozent) lässt sich eine Mutation des MPL-Gens feststellen. Auch hier ist die Folge ein funktionsverändertes Protein.2
Obwohl es sich um Mutationen in unterschiedlichen Genen handelt, haben sie einen ähnlichen Effekt: Sie regen über entsprechende Signalwege die Zellteilung an, wodurch die betroffenen Blutzellen beginnen, sich unkontrolliert zu teilen.3,6
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Ungefähr zehn Prozent der Menschen mit MF weisen keine der drei oben genannten Mutationen auf (JAK2, Calreticulin oder MPL). Daher werden diese Patientinnen und Patienten auch als triple-negativ bezeichnet. Bei ihnen sind andere Genveränderungen in den Blutstammzellen für die Entstehung der MF verantwortlich.2
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JAK steht für Januskinase. Diese Proteine funktionieren vereinfacht ausgedrückt wie ein Schalter, der die Produktion von Blutzellen reguliert. Normalerweise wird der Schalter stetig ein- und ausgeschaltet, um die Blutbildung zu steuern. Ist der Schalter wie bei der Myelofibrose aufgrund einer Mutation dauerhaft eingeschaltet, kann die Blutbildung nicht länger reguliert werden – es kommt zu einer Überproduktion an Blutzellen.7
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Therapie der MF setzt bei Treibermutationen an
Die Behandlung der Myelofibrose setzt unter anderem an den fehlregulierten Proteinen an, die die Folge der beschriebenen Mutationen sind. Mit zielgerichteten Medikamenten, sogenannten JAK-Inhibitoren, können Prozesse in den Krebszellen gehemmt werden, um so ihr Wachstum zu bremsen. JAK-Inhibitoren kommen grundsätzlich bei Patientinnen und Patienten infrage, die nicht triple-negativ sind, bei denen sich also eine Mutation von JAK2, Calreticulin oder MPL nachweisen lässt.2
Myelofibrose: Verfaserung des Knochenmarks ist charakteristisch
Die Genveränderungen in den Blutstammzellen haben nicht nur Einfluss auf die Zellen selbst und führen zu einer Überproduktion von Blutzellen. Sie beeinflussen indirekt auch weitere zelluläre Mechanismen. So kommt es ebenfalls zu einer übermäßigen Ausschüttung von entzündlichen Botenstoffen. Die damit einhergehende Entzündungsreaktion regt die Vermehrung von Bindegewebe an, welches sich verstärkt im Knochenmark ausbreitet und die blutbildenden Zellen sukzessive verdrängt. Es kommt zu einer Verfaserung des Knochenmarks – fachsprachlich Fibrose genannt. Das Knochenmark bildet immer weniger Blutzellen, die Blutbildung verlagert sich zunehmend in Leber und Milz.6,8
Die fortschreitende Verfaserung des Knochenmarks bei MF ist maßgeblich für die mit der Erkrankung einhergehenden Beschwerden verantwortlich.8
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Quellen:
- BJ Madhumita, Zon LI. Hematopoiesis. Development. 2013;140(12):2463-2467.
- mpn-netzwerk e. V. Primäre Myelofibrose (PMF) verstehen. https://www.mpn-netzwerk.de/mpn-verstehen/primaere-myelofibrose/ (letzter Aufruf am 15.08.2024)
- Grießhammer M, Baerlocher GM, Döhner K et al. Primäre Myelofibrose (PMF). Onkopedia-Leitlinie. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/primaere-myelofibrose-pmf/@@guideline/html/index.html (letzter Aufruf am 15.08.2024)
- Zahr AA, Salama ME, Carreau N et al. Haematologica. 2016;101(6):660-671.
- Vannucchi AM, Lasho TL, Guglielmelli P et al. Leukemia. 2013;27(9):1861-1869.
- Passamonti F, Mora B. Blood. 2023;141(16):1954-1970.
- Babon JJ, Lucet IS, Murphy JM et al. Biochem J. 2014;462(1):1-13.
- Nazha A, Khoury JD, Rampal RK et al. Oncologist. 2015;20(10):1154-1160.