Die Ziele der Polycythaemia-vera-Therapie
Bei der Behandlung der Polycythaemia vera gibt es drei wichtige Ziele: Erstes und vorrangiges Ziel ist es, Komplikationen wie Blutgerinnsel (Thrombosen), Herzinfarkt und Schlaganfall zu verhindern.
Die Lebensqualität zu erhalten ist nach den ärztlichen Leitlinien ein weiteres wichtiges Ziel. Denn unbehandelte Symptome wie quälender Juckreiz und dauerhafte Müdigkeit können viel Kraft rauben, es erschweren, am Alltag teilzunehmen, und die Leistungsfähigkeit schmälern. Symptome zu erkennen und zu behandeln ist deshalb das zweite Hauptziel – Medizinerinnen und Mediziner sprechen dabei von Symptomkontrolle.
Das dritte Ziel ist die möglichst langfristige Stabilisierung der Erkrankung. Frühzeitige und individuell angepasste therapeutische Maßnahmen sollen verhindern, dass die Polycythaemia vera später in andere Erkrankungen wie Myelofibrose (MF) oder akute myeloische Leukämie (AML) übergeht.
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Allgemeine Maßnahmen
Wie bei vielen anderen Krankheiten ist es auch bei der Polycythaemia vera hilfreich, wenn Sie parallel zu den therapeutischen Maßnahmen selbst versuchen, das Nötigste zu tun, um die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Bei der Polycythaemia vera beinhalten diese allgemeinen Maßnahmen beispielsweise die regelmäßige körperliche Bewegung. Damit soll ein normales Körpergewicht erreicht und gehalten werden.
Da das Blut bei der Polycythaemia vera durch die vielen Zellen zu „dickflüssig“ ist, sollten Sie langes Sitzen vermeiden und immer ausreichend trinken. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, Komplikationen wie Blutgerinnsel zu verhindern.
Wenn neben der Polycythaemia vera begleitende Erkrankungen bestehen, ist es insbesondere bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Bluthochdruck wichtig, diese zu behandeln und besonders auf das Rauchen zu verzichten.
Das Blut verdünnen – Aderlass und ASS
Die Behandlung der Wahl bei allen Betroffenen ist die Kombination von Aderlässen mit einem Blutverdünner.
Aderlass ist das erste Mittel im Therapieplan – eine seit langem bewährte Behandlung. Beim Aderlass werden zwischen 300 und 500 ml Blut entnommen. Ziel ist es, den Hämatokritwert, den Anteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) am gesamten Blutvolumen, unter 45 Prozent zu halten. So wird das Blut „dünnflüssiger“, und das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln und von Komplikationen wie Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall sinkt. Wie häufig so ein Aderlass nötig ist, wird individuell festgelegt.
Falls nichts dagegenspricht, erhalten Betroffene zusätzlich ein niedrig dosiertes blutverdünnendes Medikament, die Acetylsalicylsäure (ASS). ASS hemmt die Verklumpung von Blutplättchen und kann die Entstehung von lebensbedrohlichen Blutgerinnseln verhindern.
Zytoreduktive Therapie bei Polycythaemia vera: Wenn das Risiko für Komplikationen erhöht ist
Unter bestimmten Umständen steht im nächsten Therapieschritt eine zytoreduktive Therapie an. Das ist eine Behandlung, die die Zellzahlen reduzieren soll. Die zytoreduktive Therapie besteht entweder aus den Medikamenten Hydroxyurea, Interferon-alpha oder in späteren Stadien Januskinasehemmern.
Um die bestmögliche Behandlung sicherzustellen, werden Betroffene in Risikogruppen eingeteilt. Menschen, die 60 Jahre oder älter sind, gehören automatisch der Gruppe mit einem höheren Risiko für Komplikationen an. Ebenso haben Personen, die bereits ein Blutgerinnsel gebildet haben, das zu einem Gefäßverschluss geführt hat, ein höheres Risiko für Komplikationen wie weitere Blutgerinnsel.
Bei einem hohen Risiko sollte die zytoreduktive Therapie nach sorgfältiger ärztlicher Abwägung gegebenenfalls zusätzlich zu den Aderlässen und ASS durchgeführt werden.
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Bei einem niedrigen Risiko – also Menschen, die unter 60 Jahre alt sind und noch kein Blutgerinnsel gebildet haben – muss zunächst keine zytoreduktive Therapie erfolgen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die diese doch erforderlich machen:
- Symptome, die mit der bisherigen Behandlung nicht ausreichend gelindert werden.
- Fortschreitende Erkrankung (Myeloproliferation), die sich durch eine zunehmende Milzgröße, steigende Zellzahlen oder häufiger nötige Aderlässe bemerkbar macht.
- Zunehmendes Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln und Blutungen.
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Interferon-alpha und Hydroxyurea bei Polycythaemia vera
Als zytoreduktives Medikament bei Polycythaemia vera kann Interferon-alpha (IFN-α) zur Senkung der Anzahl der Blutzellen eingesetzt werden. Das Medikament hemmt die Teilung der blutbildenden Zellen im Knochenmark.
Ein weiteres zytoreduktives Medikament, das in der Praxis zum Einsatz kommt, ist Hydroxyurea (HU). Es reduziert ebenfalls die Zahl der Blutzellen, indem es die Teilung von Zellen im Knochenmark hemmt und damit auch die Blutbildung einschränkt.
Januskinasehemmer: Die Vermehrung von Blutzellen zielgerichtet bremsen
Wenn die zytoreduktive Vortherapie nicht hilft, zum Beispiel wenn die Medikamente nicht oder nur ungenügend wirken oder Nebenwirkungen auftreten, kann ein sogenannter Januskinasehemmer als nächste Behandlungsoption eingesetzt werden.
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Januskinasehemmer oder auch Tyrosinkinaseinhibitoren sind Medikamente, die gezielt Signale in Zellen hemmen. Sie blockieren bestimmte Enzyme (die Januskinasen (JAK)), die eine wichtige Signalfunktion in der Zelle haben. Bei der Polycythaemia vera ist bei etwa 98 Prozent der Betroffenen das Enzym JAK2 verändert (überaktiv) und verantwortlich für die Überproduktion der Blutzellen. Wird insbesondere JAK2 gebremst, wird auch die Anzahl neuer Blutzellen reduziert.
Januskinasehemmer können somit helfen, das wichtige Behandlungsziel „Hämatokrit < 45 Prozent“ zu erreichen. Zudem können sie belastende Symptome wie Juckreiz und Müdigkeit lindern.
Achten Sie insbesondere auf Nebenwirkungen Ihrer Therapie sowie auf mögliche weiter bestehende Symptome, beispielsweise Müdigkeit, und teilen Sie dies Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt mit. Sie oder er ist hier ganz auf Ihre Information angewiesen, um die individuell bestmögliche Behandlung festzulegen. Mit dem MPN10 Symptomfragebogen und dem MPN-Tracker können Sie Ihre Symptome ganz einfach regelmäßig erfassen und aufzeichnen.
Verlaufskontrollen
Bei der Polycythaemia vera ist es – wie auch bei anderen bösartigen Erkrankungen – wichtig, regelmäßig den Verlauf zu kontrollieren. Je nach Therapieform und Therapiephase ist die Frequenz der Kontrolluntersuchungen bei der Polycythaemia vera individuell unterschiedlich. Besonders zu Beginn der Erkrankung und Behandlung als auch nach Therapieumstellungen können häufigere Arztkontakte und Blutuntersuchungen zur Bestimmung der Zellzahlen und des Hämatokritwerts nötig sein. Im Verlauf, wenn die Erkrankung stabil ist, können monatliche oder seltenere Kontrollen ausreichen. Einmal jährlich sollte in jedem Fall die Größe der Milz im Ultraschall kontrolliert werden, da die Milz sich im Laufe der Zeit vergrößern kann.
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Quellen:
- Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). Onkopedia Leitlinie Polycythaemia Vera. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/polycythaemia-vera-pv/@@guideline/html/index.html) letzter Aufruf am 03.11.2023)
- Pharmazeutische Zeitung. Neue Option bei seltener maligner Bluterkrankung. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neue-option-bei-seltener-maligner-bluterkrankung/#:~:text=IFN%20alfa%20hemmt%20die%20Proliferation,Wirkung%20bei%20Polycythaemia%20vera%20bei (letzter Aufruf am 09.10.2023)
- Pharmazeutische Zeitung. So „göttlich“ wie ihr Name? https://www.pharmazeutische-zeitung.de/so-goettlich-wie-ihr-name-137551/seite/7/ (letzter Aufruf am 09.10.2023)